Konformitätsbewertungsmodule – welchen Zertifizierungsweg wählen? Praxisleitfaden nach EU 2023/1230

Du planst, eine Maschine im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr zu bringen? Exzellent. Bevor du die Serie anläufst, triffst du eine Grundsatzentscheidung: Konformitätsbewertungsmodule – welchen Zertifizierungsweg wählen? Der gewählte Pfad entscheidet über Aufwand, Time-to-Market und Marktzugang. Dieser Leitfaden führt dich durch die Optionen nach Verordnung (EU) 2023/1230, zeigt Entscheidungspunkte und gibt dir klare Kriterien an die Hand.

Das CE-Zeichen ist kein Aufkleber, sondern eine rechtsverbindliche Erklärung. Du bestätigst damit, dass deine Maschine die grundlegenden Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen erfüllt und den unionsweit geltenden Rechtsrahmen einhält. Wer die passenden Module richtig wählt, reduziert Risiken, spart Zeit und erhöht die Akzeptanz beim Kunden.

CE: Ihr Marktzugang für Maschinen in der EU

Denke an das CE-Zeichen wie an einen Reisepass für deine Maschine. Es öffnet dir den Binnenmarkt, schafft Vertrauen und schützt vor Sanktionen. Der Weg zum CE führt über eine saubere Risikobeurteilung, die Erfüllung der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, vollständige technische Unterlagen, die EU-Konformitätserklärung und die Anbringung der CE-Kennzeichnung. Die Verantwortung liegt zu jeder Zeit bei dir als Hersteller.

  • Systematische Risikobeurteilung durchführen (Gefährdungen identifizieren, Risiken mindern, Restgefahr kommunizieren).
  • Grundlegende Anforderungen an Gesundheitsschutz und Sicherheit erfüllen (Auslegung, Schutzmaßnahmen, Informationen).
  • Technische Dokumentation erstellen und 10 Jahre aufbewahren.
  • EU-Konformitätserklärung ausstellen und unterzeichnen.
  • CE-Kennzeichnung sichtbar, lesbar und dauerhaft anbringen.

Neue Spielregeln: Verordnung (EU) 2023/1230 über Maschinen

Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG weicht Schritt für Schritt der Maschinenverordnung (EU) 2023/1230. Das bringt Einheitlichkeit: Die Verordnung gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten, Interpretationsspielräume schrumpfen. Inhaltlich rücken Software, künstliche Intelligenz und Cybersecurity stärker in den Fokus. Am Kern ändert sich nichts: Du musst die Sicherheit deiner Maschine systematisch nachweisen – aber die rechtliche Grundlage und einige Verfahren haben sich präzisiert.

Konformitätsbewertungsmodule – welchen Zertifizierungsweg wählen? Entscheidungslogik im Überblick

Die Verordnung kennt mehrere Konformitätsbewertungsmodule. Deine Wahl hängt vor allem vom Risikoprofil deiner Maschine, von deren Zuordnung zu Anhang I und von deiner Fertigungsstrategie (Einzelmaschine vs. Serie, vorhandenes QM-System, Innovationsgrad) ab. Zentrale Weiche: Steht die Maschine in Anhang I, Teil A oder Teil B – oder taucht sie in Anhang I nicht auf?

Maschinen außerhalb Anhang I: Modul A als Standardweg

Alle Maschinen, die nicht in Anhang I gelistet sind, durchlaufen verpflichtend die interne Fertigungskontrolle (Modul A). Du bewertest eigenverantwortlich die Konformität, erstellst die technische Dokumentation und gibst die EU-Konformitätserklärung ab. Eine Notifizierte Stelle ist rechtlich nicht erforderlich. Trotzdem entscheiden sich Hersteller bei komplexen oder neuartigen Lösungen gelegentlich freiwillig für eine externe Prüfung, um Vertrauen am Markt zu stärken.

Anhang I, Teil A: Notifizierte Stelle ist Pflicht – Konformitätsbewertungsmodule – welchen Zertifizierungsweg wählen?

Maschinen mit besonders hohem Risiko aus Anhang I, Teil A (z. B. bestimmte Pressen oder fahrbare Hubarbeitsbühnen) benötigen zwingend eine Notifizierte Stelle. Du wählst zwischen drei Wegen:

  • Modul B (EU-Baumusterprüfung) plus Modul C (Konformität mit dem Baumuster): Ideal für Serienfertigung. Die Notifizierte Stelle bewertet die Konstruktion; du stellst sicher, dass jedes Exemplar dem geprüften Baumuster entspricht.
  • Modul G (Einzelprüfung): Geeignet für Unikate, große Sondermaschinen oder seltene Ausführungen. Jedes Exemplar wird einzeln geprüft.
  • Modul H (Umfassende Qualitätssicherung): Du betreibst ein umfassendes QM-System, das Entwicklung, Fertigung und Prüfung abdeckt. Die Notifizierte Stelle beurteilt und überwacht das System regelmäßig.

Anhang I, Teil B: Selbstzertifizierung nur mit Normen – Konformitätsbewertungsmodule – welchen Zertifizierungsweg wählen?

Für die in Anhang I, Teil B genannten Maschinenarten besteht ein Wahlrecht – unter einer wichtigen Bedingung: Du darfst Modul A nutzen, wenn du alle einschlägigen harmonisierten Normen vollständig anwendest und diese alle relevanten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen abdecken. Fehlt eine passende Norm oder wendest du eine Norm nicht vollständig an, musst du eine Notifizierte Stelle einbinden (Modul B+C, G oder H).

Strategischer Tipp: Kalkuliere den Aufwand. Die lückenlose Normenanwendung spart die externe Prüfung, verlangt aber hohe interne Disziplin. Bei innovativen Lösungen kann ein freiwilliger Gang zur Notifizierten Stelle Vertrauen schaffen und spätere Diskussionen vermeiden.

Konformitätsbewertungsmodule – welchen Zertifizierungsweg wählen? Rolle und Mehrwert der Notifizierten Stelle

Notifizierte Stellen agieren als unabhängige Dritte. Sie prüfen Konstruktion, Fertigung oder die einzelne Maschine – je nach Modul. Sie erhöhen die Glaubwürdigkeit am Markt und bringen Erfahrung mit, insbesondere bei komplexen Sicherheitsfunktionen, Software oder neuartigen Technologien. Wichtig: Die rechtliche Verantwortung bleibt bei dir. Die Stelle bestätigt, dass du die Anforderungen korrekt umgesetzt hast, sie übernimmt aber nicht die Verantwortung für das Produkt.

  • Typische Ergebnisse: EU-Baumusterprüfbescheinigung (Modul B), Prüfbericht/Abnahmeprotokoll (Modul G), Genehmigung und Überwachung des QM-Systems (Modul H).
  • Auswahlkriterien: Fachliche Akkreditierung für deinen Maschinentyp, Branchenexpertise, Verfügbarkeit, Klarheit im Auditprogramm, Sprachkompetenz und Erfahrung mit deinen Zielmärkten.
  • Organisation: Prüfe frühzeitig Verfügbarkeit, kläre Prüfumfang, Testorte, Musterbedarf und Zeitplan. Lege Verantwortlichkeiten und Kommunikationswege fest.

Konformitätsbewertungsmodule – welchen Zertifizierungsweg wählen? Technische Dokumentation und EU-Konformitätserklärung

Ohne tragfähige technische Dokumentation gibt es kein rechtssicheres CE. Die Unterlagen belegen, dass die Maschine den Anforderungen entspricht und ermöglichen Behörden sowie Notifizierten Stellen eine Bewertung. Du bewahrst sie mindestens 10 Jahre nach dem Inverkehrbringen auf.

  • Allgemeine Beschreibung, bestimmungsgemäße Verwendung und Grenzen der Maschine.
  • Konstruktionszeichnungen, Stücklisten und Schaltpläne (elektrisch, hydraulisch, pneumatisch).
  • Berechnungen, Nachweise, Software-/Firmware-Architektur und -Versionierung.
  • Ergebnisse der Risikobeurteilung mit getroffenen Schutzmaßnahmen und Restgefahren.
  • Liste der angewendeten Normen (harmonisiert sowie weitere anerkannte Regeln der Technik).
  • Prüf- und Messergebnisse, Validierung der Sicherheitsfunktionen (z. B. Performance Level oder SIL-Nachweise).
  • Gebrauchsanleitung in der/den geforderten Sprache(n), inklusive Montage-, Inbetriebnahme-, Betrieb-, Wartungs- und Entsorgungsangaben.

Die EU-Konformitätserklärung fasst den Rechtsrahmen zusammen, für den du die Verantwortung übernimmst. Sie benennt Hersteller, ggf. Bevollmächtigten, Maschine/Typ, anwendbare Verordnungen und Richtlinien, angewendete Normen sowie Modul(e) der Konformitätsbewertung. Zeichne sie von einer bevollmächtigten Person. Halte eine aktuelle Version vor und liefere sie zusammen mit der Maschine aus.

Harmonisierte Normen: Ihr Hebel für Sicherheit und Marktzugang

Harmonisierte Normen verschaffen dir das „Vermutungsprinzip“: Wendet eine Maschine alle relevanten Normanforderungen vollständig an, gilt sie als konform mit den entsprechenden grundlegenden Anforderungen. Das reduziert Rechtsrisiken und beschleunigt die Konformitätsbewertung.

  • Normtypen: A-Normen (Grundlagen, z. B. Risikobeurteilung), B-Normen (Sicherheitsaspekte/Schutzeinrichtungen) und C-Normen (produktspezifisch).
  • Aktualität zählt: Nutze die aktuell im Amtsblatt gelisteten Fassungen. Prüfe Änderungen früh, um Konstruktionsentscheidungen rechtzeitig anzupassen.
  • Software und Steuerungen: Für Sicherheitsfunktionen beachte die Validierung nach einschlägigen Normen und dokumentiere Architektur, Diagnoseabdeckung und Fehlerreaktionen.

Fehlen passende harmonisierte Normen, nutzt du andere anerkannte Regeln der Technik und belegst gleichwertige Sicherheit durch nachvollziehbare Analysen, Prüfungen und Bewertungen. Plane dafür mehr Zeit und tiefere technische Nachweise ein – häufig lohnt dann die Einbindung einer Notifizierten Stelle.

Automatisierung, Software und Cybersecurity: Was sich für die Zertifizierung ändert

Vernetzte Maschinen, komplexe Steuerungen und Software-Updates erhöhen das Sicherheitsniveau – und die Anforderungen. Die Maschinenverordnung betont Manipulationsschutz, vertrauenswürdige Software, sichere Kommunikation und robuste Updatestrategien. Das beeinflusst die Modulauswahl und die Tiefe deiner Nachweise.

  • Risikobeurteilung erweitern: Berücksichtige Cyberbedrohungen, Datenintegrität, Remote-Zugriffe und Update-Prozesse.
  • Sicherheitsfunktionen validieren: Weisen Performance Level/SIL, Diagnoseabdeckung und Fehlertoleranz nach. Dokumentiere Architekturen und Sicherheitsmechanismen.
  • Change-Management regeln: Versioniere Hard- und Software, definiere Freigabeprozesse und Re-Validierungen. Updates können eine erneute Konformitätsbewertung erfordern.
  • Zugriff schützen: Rollen, Rechte, Authentifizierung und Ereignisprotokolle festlegen und prüfen.

Setze auf interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Konstruktion, Elektrik/Software, Qualitätssicherung und IT-Security. So hältst du die Anforderungen der Verordnung effizient ein und bleibst in Audits souverän.

CE-Kennzeichnung und Pflichten nach dem Inverkehrbringen

Mit der CE-Kennzeichnung beginnt die Marktphase – deine Verantwortung endet nicht mit dem Verkauf. Du überwachst die Sicherheit im Feld, bearbeitest Vorfälle strukturiert und leitest Korrekturmaßnahmen ein. Bei wesentlichen Änderungen an bestehenden Maschinen prüfst du, ob eine neue Konformitätsbewertung notwendig ist.

  • Marktüberwachung proaktiv unterstützen: Reklamationen, Beinaheereignisse und Unfälle erfassen, bewerten und auswerten.
  • Rückverfolgbarkeit sichern: Seriennummern, Chargen, Softwarestände und Konfigurationen dokumentieren.
  • Korrekturmaßnahmen steuern: Technische Änderungen, Hinweise an Betreiber oder Rückrufe planen und dokumentieren.
  • Änderungsmanagement anwenden: Prüfe, ob Modifikationen die bestimmungsgemäße Verwendung oder die Schutzprinzipien verändern – dann folgt ggf. eine erneute Bewertung.

Fazit: Konformitätsbewertungsmodule – welchen Zertifizierungsweg wählen?

Starte mit einer klaren Zuordnung zu Anhang I. Liegt deine Maschine in Teil A, bindest du zwingend eine Notifizierte Stelle ein und wählst zwischen B+C, G oder H. In Teil B kannst du bei vollständiger Anwendung harmonisierter Normen Modul A nutzen; andernfalls brauchst du eine Notifizierte Stelle. Außerhalb von Anhang I ist Modul A der vorgeschriebene Pfad. Plane die Entscheidung frühzeitig, verknüpfe sie mit deiner Produkt- und Fertigungsstrategie und berücksichtige Software- und Cybersecurity-Aspekte. So erreichst du ein rechtssicheres CE – effizient, nachvollziehbar und marktgerecht.

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