Benannte Stelle für die CE-Kennzeichnung: Rolle, Verfahren und Änderungen nach (EU) 2023/1230

Wer Maschinen im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr bringt, muss die Sicherheit lückenlos belegen. Spätestens bei Hochrisiko-Produkten führt kein Weg an einer unabhängigen Prüfung vorbei. Genau hier kommt die Benannte Stelle für die CE-Kennzeichnung ins Spiel: Sie prüft, ob eine Maschine die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen einhält – und sie tritt als neutrale Instanz auf, bevor Sie das CE-Zeichen anbringen.

Die Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 schärft diese Rolle weiter. Sie stellt höhere Anforderungen an Verfahren, Kompetenz und Dokumentation – insbesondere bei komplexen Technologien wie KI-basierten Funktionen, vernetzten Steuerungen und softwaregetriebenen Aktualisierungen. Dieser Leitfaden zeigt, was sich ändert, wann Sie eine Benannte Stelle einbinden müssen und wie Sie sich effizient darauf vorbereiten.

Warum die Benannte Stelle für die CE-Kennzeichnung bei Maschinen entscheidend ist

Der Hersteller verantwortet die Konformität in eigener Sache. Bei Maschinen mit erhöhtem Risiko genügt die Selbstbewertung jedoch nicht. Die Benannte Stelle dient als unabhängiger Prüfer. Sie bewertet, ob Konstruktion, Steuerung, Schutzeinrichtungen und verwendete Normen das geforderte Sicherheitsniveau erreichen. So verhindert sie, dass gefährliche Produkte überhaupt auf den Markt gelangen. Für Betreiber senkt das Unfälle und Stillstände, für Hersteller reduziert es Haftungs- und Reputationsrisiken.

Besonders wichtig: Die Benannte Stelle prüft nicht nur Papier. Sie fordert Nachweise, inspiziert Maschinen, validiert sicherheitsrelevante Funktionen und bewertet den gesamten Entwicklungs- und Fertigungsprozess. Wo Normen Spielräume lassen, verlangt sie eine nachvollziehbare, risikobasierte Argumentation.

Was die Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 ändert

Die Verordnung modernisiert das Regelwerk und erhöht die Nachweissicherheit. Drei Änderungen wirken sich unmittelbar auf Ihr Konformitätsprojekt aus:

  • Neue Technologien: Die Verordnung adressiert KI-gestützte Funktionen, lernende Systeme und softwarebasierte Änderungen über den Lebenszyklus. Prüfstellen und Hersteller müssen Kompetenzen in funktionaler Sicherheit, Software- und Datensicherheit ausbauen.
  • Strengere Verfahren: Hochrisiko-Maschinen durchlaufen präzise definierte Konformitätsbewertungswege – wie in den Anhängen VII bis X beschrieben. Die Verordnung trennt im Anhang I zwischen Teil A (immer mit Benannter Stelle) und Teil B (Selbstbewertung möglich, wenn einschlägige harmonisierte Typ-C-Normen vollständig angewendet wurden).
  • Mehr Herstellerverantwortung: Die EU-Konformitätserklärung enthält ein explizites Bekenntnis zur vollen Verantwortung. Der Hersteller dokumentiert Entwicklung, Fertigung, Risikoanalyse und Validierung lückenlos – und hält die Unterlagen bereit, damit die Prüfstelle sie prüfen kann.

Verfahren mit der Benannten Stelle für die CE-Kennzeichnung: Module, Prüfungen, Audits

Welche Route Sie wählen, hängt von der Maschine und den angewendeten Normen ab. Die gängigen Verfahren lauten:

  • EU-Baumusterprüfung (Modul B): Die Benannte Stelle bewertet das Baumuster anhand der technischen Unterlagen, der Risikobeurteilung und – wo erforderlich – anhand praktischer Prüfungen. Ziel: nachweisen, dass das Baumuster die Anforderungen erfüllt.
  • Konformität mit dem Baumuster (Modul C): Wenn Modul B vorliegt, stellt der Hersteller sicher, dass jede produzierte Einheit dem geprüften Baumuster entspricht. Bei Bedarf prüft die Benannte Stelle stichprobenartig.
  • Volle Qualitätssicherung (Modul H/H1): Die Benannte Stelle auditiert das Qualitätsmanagementsystem für Entwicklung und Produktion. Sie überwacht, ob das System dauerhaft sichere Produkte hervorbringt und ob Prüf- und Freigabeprozesse wirksam funktionieren.

In der Praxis kombiniert ein Projekt oft Dokumentenprüfung, Labor- oder Vor-Ort-Tests, Software- und Sicherheitsvalidierung sowie Audits. Eine klare Prüfstrategie spart Zeit: Definieren Sie früh die Normenlandschaft, legen Sie Prüfumfänge fest, planen Sie Prototypzyklen und reservieren Sie Prüfkapazitäten rechtzeitig.

Anhang I Teil A und Teil B: die richtige Konformitätsbewertungsroute wählen

Die Verordnung unterscheidet zwei Gruppen:

  • Teil A: Hochrisiko-Maschinen. Sie benötigen zwingend eine Benannte Stelle – unabhängig davon, ob Sie Normen vollständig anwenden.
  • Teil B: Weitere Maschinenkategorien. Wenn Sie einschlägige harmonisierte Typ-C-Normen vollständig anwenden und die Anforderungen vollständig erfüllen, dürfen Sie die Konformität eigenverantwortlich bewerten. Fehlen passende Normen oder weichen Sie begründet ab, binden Sie eine Benannte Stelle ein.

Diese Struktur belohnt solide Normenanwendung und zwingt gleichzeitig bei kritischen Risiken zu externer Prüfung. Prüfen Sie deshalb früh, wohin Ihre Maschine gehört, und planen Sie Kapazitäten der Prüfinstitute mit ein.

Kompetenzen der Prüfer: Steuerungstechnik, funktionale Sicherheit, AI

Moderne Maschinen integrieren komplexe Steuerungssysteme, Safety-Funktionen nach EN ISO 13849/IEC 62061, verteilte Software und Datendienste. Eine Benannte Stelle benötigt deshalb Expertinnen und Experten, die Sicherheitskonzepte modellieren, Safety-Kennzahlen nachvollziehen, Sicherheitsprogramme prüfen sowie Softwareänderungen und Datenpfade bewerten. Lernende Systeme, adaptive Parameter oder Remote-Updates erhöhen die Anforderungen: Die Prüfer hinterfragen Datenqualität, Validierungsstrategien und Schutz vor unerwünschten Funktionsänderungen.

Auch beim Thema „wesentliche Veränderung“ bewerten Fachleute, ob ein Update die Risikolage verschiebt und eine erneute Bewertung notwendig wird. Hersteller profitieren, wenn sie diese Fragestellungen schon im Design adressieren – etwa mit Freigabekonzepten, Rollback-Strategien und klaren Software-Konfigurationsprozessen.

Cybersecurity in der Praxis: Was die Benannte Stelle für die CE-Kennzeichnung verlangt

Vernetzte Maschinen stehen im Fokus von Angreifern. Die Verordnung betrachtet Cybersecurity als integralen Bestandteil der Maschinensicherheit. In der Prüfung zählen unter anderem:

  • Zugriffsschutz und Rollenmodelle: Nur autorisierte Personen dürfen sicherheitsrelevante Einstellungen ändern.
  • Integrität von Software und Daten: Signierte Updates, Härtung von Steuerungen und Schutz vor Manipulation.
  • Resilienz im Betrieb: Fail-safe-Strategien, sichere Zustände bei Kommunikationsverlust, Notfallkonzepte.
  • Protokollierung und Nachvollziehbarkeit: Ereignis-Logs, Update-Historie, Rückverfolgbarkeit über den Lebenszyklus.

Wer diese Punkte systematisch in Architektur, Beschaffung und Inbetriebnahme einbettet, erleichtert der Benannten Stelle die Beurteilung – und erhöht die Sicherheit in der Fläche.

Verantwortung des Herstellers: Dokumentation, DoC, Risikobeurteilung

Die Benannte Stelle prüft, der Hersteller verantwortet. Halten Sie daher eine vollständige Technische Dokumentation bereit. Diese Unterlagen gehören in jedes Projekt:

  • Risikobeurteilung mit Maßnahmenkonzept und Rest-Risiken
  • Konstruktionsunterlagen: Zeichnungen, Schaltpläne, Stücklisten, Software- und Sicherheitsarchitektur
  • Validierung der Sicherheitsfunktionen: Berechnungen (z. B. PL, SIL), Testberichte, SISTEMA- oder Tool-Auszüge
  • Nachweise zu Normen: Liste angewandter Normen, Begründungen für Abweichungen, Äquivalenzargumente
  • Prüf- und Abnahmeprotokolle, ggf. Werksabnahmen, FAT/SAT
  • Bedienungs- und Wartungsanleitungen in der/den notwendigen Sprache(n)
  • EU-Konformitätserklärung mit Erklärung zur vollen Herstellerverantwortung

Wenn Sie diese Inhalte früh strukturieren und versionieren, beschleunigen Sie die Bewertung. Viele Verzögerungen entstehen, weil Dokumente fehlen, widersprüchlich sind oder Validierungen nicht zum finalen Stand passen.

Auswirkungen auf Projekte und Lieferkette

Konformität entsteht nicht am Projektende, sondern Tag eins. Planen Sie CE-relevante Aktivitäten im Projektstrukturplan ein und steuern Sie Zulieferer über klare Anforderungen. Wichtige Stellhebel:

  • Einkauf: Verankern Sie Normen, Nachweise und Prüfpunkte in Lastenheften und Verträgen. Fordern Sie sicherheitsrelevante Zertifikate und Software-Stücklisten (SBOM) ein.
  • Engineering: Nutzen Sie früh Normen-Reviews, Safety-Analysen und Mock-ups. Belegen Sie Entscheidungen mit prüffähigen Artefakten.
  • Qualität: Planen Sie interne Audits und Vorkontrollen, bevor die Benannte Stelle einsteigt.
  • Zeit: Reservieren Sie Puffer für Prototyp-Iterationen, Prüftermine und eventuelle Nacharbeiten.

Wer diese Disziplinen zusammenführt, reduziert Schleifen mit der Prüfstelle und erreicht schneller eine belastbare Konformität.

Vorbereitung auf die Zusammenarbeit mit der Benannten Stelle für die CE-Kennzeichnung

Eine gute Vorbereitung spart Wochen. Arbeiten Sie mit einer klaren Roadmap:

  1. Scope klären: Produktgrenzen, Varianten, Optionen und Betriebsarten definieren.
  2. Normen festlegen: Relevante A-, B- und Typ-C-Normen identifizieren und auf Lücken prüfen.
  3. Risiken bewerten: Gefährdungen systematisch analysieren, Schutzmaßnahmen festlegen, Wirksamkeit validieren.
  4. Dokumente bündeln: Technische Unterlagen, Testpläne und -berichte, Nachweise zu Software und Cybersecurity zusammenstellen.
  5. Terminierung: Prüfkapazitäten der Benannten Stelle rechtzeitig blocken, Ansprechpartner festlegen, Kommunikationsplan aufsetzen.
  6. Dry-Run: Interne Vorprüfung durchführen, offene Punkte schließen, dann Einreichung starten.

Begegnen Sie der Prüfstelle auf Augenhöhe: Liefern Sie präzise Nachweise, beantworten Sie Rückfragen zügig und dokumentieren Sie Entscheidungen nachvollziehbar. So behalten Sie Zeit und Budget im Griff.

FAQ: Benannte Stelle für die CE-Kennzeichnung

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