Technische Dokumentation von Maschinen nach EU‑Verordnung 2023/1230: Inhalte, Pflichten und Praxis‑Checkliste

Die Technische Dokumentation von Maschinen entscheidet über CE‑Konformität, Produktsicherheit und Haftungsrisiken. Die EU‑Verordnung 2023/1230 präzisiert, was Hersteller, Inverkehrbringer und Integratoren erstellen, prüfen und bereithalten müssen. Sie erweitert bekannte Pflichten um Aspekte wie autonome Funktionen, softwarebasierte Sicherheitsfunktionen und höhere Transparenz der Nachweise. Wer seine Dokumentation strukturiert, normenkonform und prüffähig aufbaut, verkürzt die Markteinführungszeit und senkt das Risiko späterer Nachforderungen durch Aufsichtsbehörden.

Technische Dokumentation von Maschinen: Was die EU‑Verordnung 2023/1230 verlangt

Die Verordnung fordert eine vollständige, logisch gegliederte Akte, die belegt, wie die Maschine die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erfüllt. Entscheidend ist nicht die Form, sondern der prüfbare Inhalt: Die Unterlagen müssen die angewandten Schutzmaßnahmen, deren Auslegung, Verifikation und etwaige Restrisiken nachvollziehbar belegen. Dazu gehören technische Beschreibungen, Risikobeurteilung, Konstruktionsunterlagen, Normenbezüge, Prüfberichte, Fertigungs-Qualitätssicherung, Anleitungen sowie – bei Bedarf – Softwareinformationen.

Inhalt und Aufbau: Technische Dokumentation von Maschinen in der Praxis

Beschreibung, Verwendungszweck und Betriebsgrenzen

Beschreiben Sie Maschine, bestimmungsgemäße Verwendung und vorhersehbare Fehlanwendung. Legen Sie Betriebsgrenzen fest: Umgebung, Medien, Lastfälle, Nutzergruppen, Schnittstellen zu anderen Anlagen. Dokumentieren Sie Wechselwirkungen im Verbund (Materialfluss, Energie, Steuerung). Diese Baseline bildet den Anker für die Risikobeurteilung und spätere Änderungen.

Risikobeurteilung in der Technischen Dokumentation von Maschinen

Arbeiten Sie systematisch: Gefährdungen identifizieren, Risiko einschätzen, geeignete Schutzmaßnahmen festlegen, Wirksamkeit bewerten und Restrisiken dokumentieren. Beziehen Sie mechanische, elektrische, thermische, chemische, ergonomische, Lärm- und Schwingungsrisiken ein sowie funktionale Sicherheit und Cyberaspekte. Begründen Sie gewählte Maßnahmen und verweisen Sie auf einschlägige Normen oder gleichwertige Methoden. Halten Sie Warnhinweise, Schulungsbedarf und organisatorische Maßnahmen fest, wenn technische Maßnahmen allein nicht ausreichen.

Zeichnungen und Schaltpläne in der Technischen Dokumentation von Maschinen

Legen Sie Konstruktionszeichnungen, Stücklisten, Pneumatik-, Hydraulik- und Elektroschaltpläne sowie Sicherheitskreise bei. Fügen Sie Funktionspläne und Signalflussdiagramme hinzu, wenn sie das Verständnis erhöhen. Sorgen Sie für Versionierung, Änderungsstände und eindeutige Referenzen zum Textteil, damit Prüfende Bauzustände und Modifikationen nachvollziehen können.

Normen und Spezifikationen in der Technischen Dokumentation von Maschinen

Listen Sie die angewandten harmonisierten Normen auf und nennen Sie Teile oder Abschnitte, wenn Sie Normen nur anteilig verwenden. Wenn Sie von harmonisierten Normen abweichen, beschreiben Sie die alternativen Spezifikationen und begründen Sie, warum sie die grundlegenden Anforderungen gleichwertig abdecken. Fügen Sie Nachweise bei, die die Gleichwertigkeit belegen (z. B. Validierungen, Prüfberichte, Berechnungen).

Prüfberichte und Validierung in der Technischen Dokumentation von Maschinen

Belegen Sie zentrale Sicherheits- und Leistungsmerkmale mit Berechnungen und Tests: Festigkeits- und Stabilitätsnachweise, Stoppzeiten von Schutzfunktionen, Performance Level/ASIL-Ermittlung und Validierung, Schutzeinrichtungsprüfung, Geräuschmessungen, EMV-Ergebnisse sowie Software‑ und Systemtests. Dokumentieren Sie Verfahren, Kriterien, Messunsicherheiten und Ergebnisse transparent.

Qualitätssicherung in der Fertigung

Beschreiben Sie Fertigungs- und Prüfprozesse, die sicherstellen, dass Serienmaschinen dem freigegebenen Design entsprechen: Wareneingangskontrolle, qualitätsrelevante Montageanweisungen, Inprozess- und Endprüfungen, Prüfmittelmanagement, Rückverfolgbarkeit kritischer Teile, Freigabekriterien und Umgang mit Abweichungen. Für Serienfertigung gehört ein konsistentes internes Kontrollverfahren zwingend in die Dokumentation.

Betriebsanleitung als Teil der Technischen Dokumentation von Maschinen

Die Anleitung muss zielgruppengerecht, sprachlich passend für das Zielmarktland und vollständig sein. Sie umfasst Transport, Aufstellung, Inbetriebnahme, Betrieb, Rüstung, Reinigung, Instandhaltung, Störungsbeseitigung, Ersatzteile sowie Warnhinweise und Restgefahren. Weisen Sie Prüffristen, erforderliche Qualifikationen und persönliche Schutzausrüstung aus. Sorgen Sie für konsistente Terminologie zwischen Anleitung, Schaltplänen und Risikobeurteilung.

Unvollständige Maschinen: Einbauanleitung und Einbauerklärung

Für unvollständige Maschinen erstellen Sie eine Einbauanleitung, die Integrationsbedingungen, Grenzwerte, Schnittstellen, Schutzmaßnahmen und noch offene Anforderungen klar benennt. Die Einbauerklärung gehört dazu. Ziel ist, dem Integrator alle Informationen zu liefern, um die Gesamtmaschine sicher und konform zu vervollständigen.

Erklärungen für integrierte Produkte und Baugruppen

Wenn Sie Baugruppen integrieren, die unter anderes Harmonisierungsrecht fallen (z. B. Niederspannung, EMV, Druckgeräte), archivieren Sie die zugehörigen EU‑Konformitätserklärungen und relevanten Unterlagen. Stellen Sie sicher, dass deren Betriebsbedingungen und Einschränkungen mit Ihrer Gesamtauslegung kompatibel sind.

Safety‑Software und Quellcode

Dokumentieren Sie Sicherheitsfunktionen in der Software: Sicherheitsarchitektur, Sicherheitsanforderungsspezifikation, Implementierung, Verifikation, Validierung und Änderungen. Halten Sie Logik, Parameter und Diagnosekonzepte fest. Bei berechtigter Anforderung durch Behörden müssen Sie Quellcode oder Programmierlogik, soweit sicherheitsrelevant, zugänglich machen können. Regeln Sie Zugriff, Nachweisführung und Konfigurationsmanagement.

Sensorik, Fernsteuerung und Autonomie

Beschreiben Sie bei sensorbasierten, fernbetätigten oder autonomen Funktionen die Sensorarten, deren Leistungsgrenzen, Datenaufbereitung und Plausibilisierung. Legen Sie Trainings-, Test- und Validierungsmethoden offen, wenn datengetriebene Verfahren beteiligt sind. Grenzen Sie Betriebsbedingungen ab (z. B. Sicht, Verschmutzung, Licht, Geschwindigkeit) und definieren Sie sichere Fallback‑Zustände bei Datenverlust oder Fehlklassifikation.

Komponenten- und Baugruppenprüfungen

Weisen Sie nach, dass sicherheitsrelevante Komponenten und Baugruppen die Anforderungen erfüllen: Werkstoff- und Festigkeitsprüfungen, Lebensdauer- und Funktionsprüfungen, Fehlereinflussanalysen sowie Abnahmeprotokolle. Verknüpfen Sie die Ergebnisse nachvollziehbar mit der Risikobeurteilung und den validierten Sicherheitsfunktionen.

Checkliste: Technische Dokumentation von Maschinen vollständig?

  • Maschinenbeschreibung: Zweck, Grenzen, Umgebung, Schnittstellen klar festgelegt
  • Risikobeurteilung: vollständig, methodisch konsistent, Restrisiken begründet
  • Zeichnungen/Pläne: vollständig, versioniert, mit Funktionsbeschreibungen
  • Normen/Spezifikationen: Auswahl begründet, Teilanwendungen dokumentiert
  • Prüf- und Messergebnisse: Verfahren, Kriterien und Resultate nachvollziehbar
  • Fertigungs-QS: interne Verfahren, Prüfpläne, Rückverfolgbarkeit beschrieben
  • Betriebsanleitung: sprachlich passend, vollständig, konsistent zur Risikobeurteilung
  • Unvollständige Maschinen: Einbauanleitung und Einbauerklärung vorhanden
  • Integrierte Produkte: Konformitätserklärungen archiviert, Randbedingungen geprüft
  • Software: Sicherheitslogik, Validierung, Änderungswesen und Zugriff geregelt
  • Autonome Funktionen: Sensorleistung, Datenprozesse, Grenzen und Fallbacks belegt
  • Komponententests: Prüfberichte und Abnahmen den Sicherheitszielen zugeordnet
  • Aufbewahrung: Unterlagen sicher archiviert, Zuständigkeiten und Fristen definiert

Neu gegenüber der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG: Auswirkungen auf die Technische Dokumentation von Maschinen

  • Digitale und softwarebasierte Sicherheitsfunktionen: Sie müssen Planung, Implementierung, Test und Validierung detailliert dokumentieren. Dazu zählen Parameter, Diagnose, Fehlerreaktionen und Änderungsverfolgung.
  • Sensorik, Fernzugriff, Autonomie: Beschreiben Sie Fähigkeiten, Grenzen, Datenflüsse und Freigabekriterien. Legen Sie Verfahren für Verifikation und Validierung offen – besonders bei datengetriebenen Verfahren.
  • Alternativen zu harmonisierten Normen: Wer Normen nicht oder nur teilweise nutzt, muss die Gleichwertigkeit seiner technischen Spezifikationen nachvollziehbar belegen – inhaltlich und mit Prüfergebnissen.
  • Transparenz und Prüfbarkeit: Behörden können bei Sicherheitsfunktionen Einblick in Programmierlogik oder Quellcode verlangen. Planen Sie sichere Prozesse für diesen Fall.
  • Digitale Bereitstellung von Anleitungen: Die Verordnung ermöglicht digitale Anleitungen unter Bedingungen; Nutzer dürfen eine Papierfassung verlangen. Regeln Sie Ausgabe, Versionierung und Zugänglichkeit.

Praktische Tipps für Hersteller und Integratoren

  • Architektur festlegen: Gliedern Sie die Akte nach den Kapiteln Beschreibung, Risiko, Konstruktion, Normen, Prüfungen, Fertigung, Anleitung, Software.
  • Rote Fäden sichern: Verknüpfen Sie Gefährdungen aus der Risikobeurteilung mit Schutzmaßnahmen, Prüfplänen, Messergebnissen und Warnhinweisen.
  • Normenstrategie entscheiden: Wählen Sie harmonisierte Normen gezielt. Bei Abweichungen früh die erforderlichen zusätzlichen Nachweise planen.
  • Versionierung leben: Arbeiten Sie mit eindeutigen Revisionsständen, Änderungsanträgen und Rückverfolgbarkeit – auch für Software und Parameter.
  • Validierung früh starten: Definieren Sie Akzeptanzkriterien und Messmethoden bereits im Design. So vermeiden Sie späte Schleifen in der Inbetriebnahme.
  • Datenhaltung absichern: Legen Sie Verantwortlichkeiten, Zugriffsrechte, Backups und Aufbewahrungsfristen fest. Üblich sind mindestens zehn Jahre Archivierung.
  • Kommunikation abstimmen: Engineering, Qualität, Einkauf, Montage und Service nutzen dieselbe Terminologie und Dokumentbasis.

Fazit: Technische Dokumentation von Maschinen als Wettbewerbsvorteil

Die EU‑Verordnung 2023/1230 erhöht die Anforderungen – insbesondere bei softwaregestützten und autonomen Funktionen. Wer die Technische Dokumentation von Maschinen stringent aufbaut, reduziert Haftungsrisiken, beschleunigt die Konformitätsbewertung und gewinnt Zeit in der Inbetriebnahme. Eine klare Struktur, belastbare Nachweise und konsistente Inhalte sind der schnellste Weg zu sichereren Maschinen und stabilen Freigaben.

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