Die Konstruktion von Geräten mit druckfester Kapselung ‚d‘ bildet das Rückgrat für zuverlässige Ex-Lösungen in Gas-Atmosphären. Wer nach EN 60079-1 und EN IEC 60079-0 entwickelt, muss technische Details beherrschen, Entscheidungen sauber dokumentieren und die Prüfstrategie von Anfang an mitdenken. Dieser Leitfaden fasst die wesentlichen Grundsätze zusammen, zeigt typische Fallstricke und liefert praxistaugliche Hinweise für Entwicklung, Qualifizierung und Serienfertigung.
Spis Treści
Grundlagen der Konstruktion von Geräten mit druckfester Kapselung ‚d‘
Ex „d“ ist ein Zündschutzprinzip für elektrische Geräte in explosionsgefährdeten Gas-Atmosphären. Es verlagert mögliche Zündquellen in ein druckfestes Gehäuse. Kommt es im Inneren zur Entzündung eines zündfähigen Gemischs, hält die Kapselung dem Explosionsdruck stand. Gleichzeitig kühlen definierte Flammenspalte die austretenden Gase so stark ab, dass sich der äußere Ex-Raum nicht entzündet.
Die Norm EN 60079-1 konkretisiert die Anforderungen an die Kapselung, die Flammenspalte und die Prüfungen. EN IEC 60079-0 liefert die allgemeinen Grundforderungen. Im Konfliktfall hat EN 60079-1 Vorrang. Gerätehersteller planen daher von Anfang an mit beiden Normen und legen die Nachweise normenkonform ab.
Was leistet der Zündschutz Ex d?
Flammensichere Verbindungen (Zündwege) sind präzise gefertigte Spalte zwischen Bauteilen der Kapselung. Sie sind nicht gasdicht, aber so lang und so eng, dass die Flamme beim Austritt verlischt. Die normativen Grenzwerte für Spaltbreite und -länge hängen von der Gasgruppe (I, IIA, IIB, IIC) und vom Innenvolumen ab. Je „zündfreudiger“ das Gas (z. B. Wasserstoff, Acetylen in IIC), desto schärfer die Anforderungen.
Die Norm unterscheidet drei Schutzstufen (EPL): da (höchster Schutz, u. a. für Zone 0), db (typisch in Zone 1), dc (für Zone 2, mit erleichterten Anforderungen). Die Schutzstufe bestimmt unter anderem den Umfang der Typprüfungen und zulässige Kapselvolumina.
Konstruktive Anforderungen an Flammenspalte und Gehäuse
Die Dimensionierung der Zündwege entscheidet über die Sicherheitsmarge. Entwickler wählen Bauarten wie zylindrisch, flanschförmig, zylindrisch-flanschförmig oder gewindeartig. EN 60079-1 gibt je Typ Mindestlängen L und Maximalspalte i vor. Zusätzlich definieren Toleranzen, Rauheit, Form- und Lagetoleranzen sowie Werkstoffkennwerte die Funktionsfähigkeit in der Serie.
Zündwege in der Konstruktion von Geräten mit druckfester Kapselung ‚d‘: Abmessungen und Toleranzen
Planen Sie Zündwege stets vom ungünstigsten Toleranzzustand her. Was in der Musterfertigung knapp funktioniert, kann in der Serie kippen. Beachten Sie:
- Spaltbreite i: Unterbieten Sie die Maximalwerte um eine robuste Fertigungs- und Montage-Marge. Prüfen Sie Bauteilverzug nach Schweißen oder Wärmebehandlung.
- Länge L: Halten Sie Mindestlängen unter allen Toleranzkombinationen ein. Achten Sie auf funktionale Reduzierungen durch Fasen, Dichtnuten oder Dichtungen in unmittelbarer Nähe.
- Oberflächen: Eine moderate Rauheit hilft beim Abkühlen der Gase, darf aber keine Grate oder Kerben als Flammendurchgänge erzeugen.
- Beschichtungen: Galvanische Schichten sind zulässig, wenn sie die Zündweggeometrie nicht außerhalb der Grenzwerte verschieben. Dicke Beschichtungen erfordern zusätzliche Verifikation.
- Fette: Korrosionsschutzfette sind zulässig, sofern sie die Flammenlöschwirkung nicht beeinträchtigen und temperatur- sowie alterungsstabil sind.
Bohrungen, Öffnungen und Befestiger: Abstand, Sicherung, Mindestwandstärke
Positionieren Sie Schraubenlöcher in ausreichendem Abstand zu Zündwegen. Definieren Sie Sicherungen gegen unbeabsichtigtes Lösen von außen zugänglichen Befestigern (z. B. Sicherungsbleche, Sperrkeile, doppelte Verriegelungen oder konstruktiver Schutz). Für blinde Bohrungen fordert die Norm Mindestwandstärken. Verwenden Sie für Befestiger metallische Werkstoffe mit ausreichender Festigkeit; Kunststoffe oder leichte Legierungen scheiden aus.
Werkstoffwahl in der Konstruktion von Geräten mit druckfester Kapselung ‚d‘
Die Werkstoffwahl beeinflusst Festigkeit, Dichtheit, Langzeitverhalten und Korrosionsbeständigkeit. Das Gehäuse muss den Explosionsdruck sicher aufnehmen und unter Überdruckprüfung formstabil bleiben. Beachten Sie einsatzspezifische Grenzen:
- Zink und zinkreiche Legierungen: Vermeiden Sie sie wegen möglicher Degradation und ungünstigem Langzeitverhalten.
- Acetylen-Atmosphären: Bei Gehäuseteilen aus Kupfer oder Kupferlegierungen mit > 60 % Cu auf der Außenseite verhindern geeignete Überzüge (z. B. Zinn, Nickel) die Bildung gefährlicher Acetylenide.
- Stähle und Gusseisen: Stellen Sie Zähigkeit und Kerbunempfindlichkeit sicher; vermeiden Sie Rissinitiierung an Gewinden und scharfen Kanten der Zündwege.
Nichtmetallische Gehäuse: zusätzliche Prüfungen und Grenzen
Setzen Sie GRP oder andere nichtmetallische Werkstoffe nur ein, wenn Sie die zusätzlichen Anforderungen erfüllen: Nachweis der Kriech- und Luftstrecken, Beständigkeit gegen Flammenerosion, Temperaturwechsel, Feuchtigkeit und Alterung. Berücksichtigen Sie anisotrope Eigenschaften faserverstärkter Systeme in der Konstruktion von Zündwegen und Befestigungen.
Oberflächenschutz und Korrosionsmanagement in der Konstruktion von Geräten mit druckfester Kapselung ‚d‘
Planen Sie eine Schutzstrategie gegen Korrosion, die Zündwege langfristig innerhalb der Grenzmaße hält. Definieren Sie zulässige Beschichtungen, Reinigungs- und Schmierstoffe in Zeichnung und Stückliste. Begrenzen Sie Bearbeitungen im Feld klar und weisen Sie im Manual auf unzulässige Eingriffe hin.
Prüfungen nach EN 60079-1: Vorgehen und Akzeptanzkriterien
Die Typprüfung bestätigt die Wirksamkeit der Kapselung. Sie umfasst die Ermittlung des Bezugsdrucks, eine Überdruckprüfung und den Flammenübertragungstest. Je nach EPL-Stufe variiert die Anzahl der Zündzyklen und die Strenge der Prüfbedingungen. Interne Einbauten (z. B. rotierende Teile) können den Explosionsdruck erhöhen; berücksichtigen Sie diese Effekte in der Auslegung und in der Prüfspezifikation.
Flammenübertragungstest in der Konstruktion von Geräten mit druckfester Kapselung ‚d‘
Beim Flammenübertragungstest zünden Sie das interne Gasgemisch und überwachen ein identisches Gemisch außerhalb. Die Flamme darf nicht nach außen übergehen. Für verschiedene Zündwegtypen legt die Norm modifizierte Spaltmaße und Zündzyklen fest. Dokumentieren Sie Maßnahmen, falls Prototypen knapp scheitern (z. B. Nacharbeit an Zündweglängen, optimierte Passungen oder Reduktion des Innenvolumens).
Druckprüfung bei der Konstruktion von Geräten mit druckfester Kapselung ‚d‘
Die Überdruckprüfung liegt über dem ermittelten Bezugsdruck. Das Gehäuse darf keine bleibenden Verformungen aufweisen, die die Flammensicherheit kompromittieren. Für Schweißkonstruktionen sind alternative Prüfprozesse zulässig, sofern sie die Integrität mit gleicher Sicherheit belegen. Definieren Sie klare Akzeptanzkriterien und Messpunkte (z. B. Spaltmaßprüfung vor/nach Test).
Stück- oder Chargenprüfungen decken Produktionsfehler auf. In der Serie bewährt sich eine hydrostatische Prüfung mit überwachten Haltezeiten, flankiert von 100-%-Maßkontrollen der Zündwege anhand kalibrierter Lehren.
Spezifische Komponenten und Anwendungen
Kabeleinführungen und Verschlussstopfen
Kabeleinführungen, Übergänge und Stopfen müssen die Flammensicherheit der Kapselung erhalten. Verwenden Sie geprüfte Komponenten mit geeigneter Dichtungstechnik (z. B. Pressdichtungen, Vergussdichtungen). Achten Sie auf Materialverträglichkeit, Anzugsmomente und Montageanweisungen. Vermeiden Sie Mischungen verschiedener Dichtungssysteme in einem Gehäuse, wenn daraus Toleranzrisiken entstehen.
Drehmaschinen und Umrichterbetrieb
Bei Motoren adressieren Sie Lager- und Wellenführungen durch die Kapselung. Prüfen Sie Gerätezustände in Ruhe und im Lauf. Beim Frequenzumrichterbetrieb analysieren Sie Lagerströme, Spannungsanstiege an Wicklungen und die thermische Klasse. Stimmen Sie Prüfmuster, Betriebsprofile und resultierende Temperaturklassen präzise ab.
Energiequellen: Zellen und Batterien
Zellen und Batterien dürfen im Normalbetrieb keine Gasentwicklung zeigen. Redundante Schutzmaßnahmen gegen Kurzschluss, Verpolung und Überladung sind Pflicht. Definieren Sie klare Austauschbedingungen und Wartungsintervalle und weisen Sie auf die Unzulässigkeit abweichender Zelltypen hin.
Dokumentation und Qualitätssicherung in der Konstruktion von Geräten mit druckfester Kapselung ‚d‘
Eine saubere Dokumentation ist der Schlüssel zur Zertifizierung und zur Serienbeherrschung. Sie umfasst:
- Detailzeichnungen mit maßgeblichen Zündweginformationen (i, L, Toleranzen, Rauheit, Beschichtungen) und eindeutigen Prüfbezügen.
- Werkstoffspezifikationen samt Wärmebehandlungen, Korrosionsschutz und Zulässigkeiten für Schmier- und Reinigungsmittel.
- Montage- und Prozessanweisungen inklusive Werkzeuge, Messmittel, Anzugsmomente und Sicherungen.
- Konformitätskonzept mit Prüfplan: Typprüfung, Stück-/Chargenprüfung, Rückverfolgbarkeit.
- Gebrauchsanleitung mit Installationshinweisen, Servicegrenzen, zulässigen Ersatzteilen sowie klaren Verboten (z. B. kein Nachschleifen von Zündwegen).
Verankern Sie eine robuste Qualitätslenkung: Erstbemusterung, Prozessfähigkeitsnachweise für Zündwegfertigung, regelmäßige Lehrenkontrolle und Lieferantenqualifikation für kritische Teile. Prüfen Sie Musterteile gegen Grenzlehren und führen Sie Trendanalysen zu Spaltmaßen in der Serie durch.
Best Practices: Vom Konzept bis zur Serie
- Risikoanalyse zuerst: Legen Sie die Gasgruppe, die EPL-Stufe und die thermische Klasse systematisch fest. Wählen Sie das Innenvolumen konservativ.
- Design for Testing: Integrieren Sie Anschlüsse für Prüfaufbauten, definieren Sie Messpunkte und planen Sie Prüfkappen oder Ersatzdeckel ein.
- Design for Assembly: Minimieren Sie Toleranzketten an Zündwegen, reduzieren Sie Variantenzahl und sichern Sie Befestiger konstruktiv.
- Frühzeitig verifizieren: Bauen Sie Funktionsmuster der Zündwege und messen Sie i/L unter Temperatur und nach Alterungstests.
- Kommunikation mit Prüfstelle: Stimmen Sie Prüfgase, Zündquellen, Anzahl Zyklen und Grenzmaße ab, bevor Sie finale Werkzeuge freigeben.
- Lebenszyklusdenken: Planen Sie Wartungsstrategien, Ersatzteilhaltung und eindeutige Kennzeichnung (inkl. eventueller „X“-Bedingungen) von Anfang an.
Wer diese Prinzipien verinnerlicht, reduziert Iterationen in der Typprüfung, beschleunigt die Zertifizierung und stabilisiert die Serienqualität. Die Konstruktion von Geräten mit druckfester Kapselung ‚d‘ verlangt Disziplin im Detail – sie belohnt Entwickler mit robusten, weltweit einsetzbaren Lösungen für Zone 1 und darüber hinaus.
