DIN EN ISO 13857 und Mindest-Sicherheitsabstände: Praxisleitfaden für sichere Maschinen und Robotikzellen

Wer Maschinen konstruiert oder betreibt, kommt an DIN EN ISO 13857 und Mindest-Sicherheitsabständen nicht vorbei. Die Norm legt fest, wie Sie Gefährdungsbereiche so absichern, dass Personen sie mit den oberen oder unteren Gliedmaßen nicht erreichen. Sie stützt sich auf Anthropometrie und Biomechanik, bietet klare Tabellen und Regeln und schafft damit die Grundlage für wirksame, prüfbare Schutzkonzepte – von der Einzelmaschine bis zur komplexen Robotikzelle.

DIN EN ISO 13857 und Mindest-Sicherheitsabstände: Zweck und Anwendungsbereich

DIN EN ISO 13857 beschreibt geometrische Anforderungen an Schutzeinrichtungen, damit Hände, Arme, Füße oder Beine Gefahrenstellen nicht erreichen. Die Norm behandelt das Erreichen über, unter, durch und um Schutzkonstruktionen herum. Sie gilt für Personen ab 14 Jahren (Sonderregelungen beachten) und liefert praxisnahe Ausgangswerte für alle, die sichere Abstände definieren und dokumentieren möchten. Konstrukteure nutzen die Vorgaben, um Schutzwände, Abdeckungen und Abstände bereits im Layout korrekt einzuplanen. Betreiber greifen darauf zurück, um Umbauten zu bewerten und Anlagenabnahmen vorzubereiten.

Die Tabellen der Norm basieren auf typischen Körpermaßen (z. B. Armreichweiten, Hand- und Fingergrößen) und auf Annahmen zum Bewegungsablauf. So erhalten Sie nachvollziehbare Mindestwerte für Höhen, Distanzen und Öffnungsgrößen, die in vielen Branchen den Standard setzen.

So arbeiten Sie mit DIN EN ISO 13857 und Mindest-Sicherheitsabstände im Risikokontext

Die Norm trennt deutlich zwischen Situationen mit geringem und mit hohem Risiko. Das Vorgehen bleibt dabei stets gleich: Sie beurteilen zunächst das Risiko, definieren anschließend das Schutzprinzip und wählen dann die passenden Mindestabstände. Besteht nur ein geringes Risiko (z. B. keine schwere Verletzung zu erwarten), kann die Norm geringere Abstände zulassen. Bei hohem Risiko planen Sie konservativer.

  • Niedriges Risiko: geringere Mindestabstände sind möglich – immer in Kombination mit der konkreten Gefährdungssituation.
  • Hohes Risiko: Sie wählen die strengeren Werte, erhöhen die Schutzwand oder vergrößern den Abstand zum Gefahrenpunkt.

Diese Differenzierung ermöglicht wirtschaftliche Lösungen, ohne den Schutz zu schwächen. Wichtig bleibt: Die Risikoanalyse steuert alle Entscheidungen und bildet die Grundlage für die Auswahl der Tabellenwerte.

Erreichen ohne Schutzkonstruktion: Abstand als Schutzprinzip

Manchmal genügt der Abstand selbst als Schutzmaßnahme. Sie ordnen die Gefahrstelle so weit oben oder so weit weg an, dass niemand sie mit Händen oder Füßen erreichen kann. Für rotierende Teile über Kopfhöhe nennt die Praxis zwei grobe Richtwerte: ungefähr 2,5 m über Standfläche bei geringem Risiko und etwa 2,7 m bei hohem Risiko. Liegen die bewegten Teile darüber, benötigen Sie in vielen Fällen keine zusätzliche Barriere.

Trotzdem sollten Sie reine Distanzlösungen kritisch hinterfragen. Menschen können sich positionieren, Hilfsmittel nutzen oder improvisieren. Ein Stuhl, eine Palette oder eine mobile Treppe reicht oft, um die Reichweite zu erhöhen. Prüfen Sie deshalb die Arbeitsabläufe und die Umgebung: Kann jemand an die Gefahrstelle herankommen, wenn er etwas unterstellt oder eine andere Arbeitshöhe einnimmt? Wenn ja, planen Sie zusätzlich bauliche Schutzmaßnahmen ein.

Praxisgrenzen dieses Ansatzes

  • Variierende Standflächen (Podeste, Gruben, Rampen) verändern die wirksame Höhe.
  • Temporäre Hilfsmittel (Leitern, Fahrzeuge) verkürzen die Distanz.
  • Instandhaltung und Rüstung erfolgen oft in außergewöhnlichen Körperhaltungen – der erreichbare Bereich wächst.

Wenn Sie diese Faktoren nicht sicher ausschließen, kombinieren Sie Distanz unbedingt mit festen Schutzeinrichtungen.

Geometrie von Schutzeinrichtungen nach DIN EN ISO 13857 und Mindest-Sicherheitsabstände

Zwischen Höhe der Schutzeinrichtung, Höhe der Gefahrstelle und horizontalem Mindestabstand besteht ein klarer Zusammenhang: Je niedriger die Barriere, desto größer muss der Abstand zwischen Barriere und Gefahrenstelle ausfallen. Umgekehrt darf die Barriere niedriger sein, wenn Sie sie weiter vom Gefahrenpunkt entfernt platzieren. In der Praxis setzten sich Schutzwände ab etwa 1400 mm Höhe durch, weil sie auch bei höherem Risiko oft ausreichende Reserven bieten. Bei geringem Risiko können Sie teils 1000 mm hohe Schutzwände nutzen – dann steigen die erforderlichen Abstände allerdings schnell auf einen Meter und mehr.

Planen Sie den Abstand immer von der inneren Schutzwandkante bis zum nächstgelegenen Gefahrenpunkt. Berücksichtigen Sie dabei bewegte Umhüllkurven (z. B. Roboterarbeitsraum), Anbauten und produktbedingte Positionsänderungen. Vermeiden Sie Tritt- und Kletterhilfen an der Schutzwand: Querstreben, hervorstehende Befestigungen oder Ablagen dürfen kein Übersteigen erleichtern.

Typische Layouts und Planungsfehler

  • Zu knapper Abstand zwischen Schutzzaun und bewegten Teilen, weil Anbaukomponenten (Sensoren, Greifer, Kabelketten) erst spät berücksichtigt wurden.
  • Uneinheitliche Zaunhöhen über Eck – der kleinste Wert bestimmt den wirksamen Schutz.
  • Kleiner nomineller Abstand, aber große Öffnungen im Zaun: Durchgreifen wird möglich.
  • Große Bodenfreiheit unter der Schutzwand: Untergreifen mit Fuß oder Unterschenkel wird möglich.

Ein strukturierter Abgleich von Höhen, Abständen und Öffnungen gegen die Normtabellen verhindert diese Fehler zuverlässig.

Öffnungen in Gittern und Blechen: DIN EN ISO 13857 und Mindest-Sicherheitsabstände richtig anwenden

Öffnungsgrößen beeinflussen die erforderlichen Abstände massiv. Die Regel lautet: Je größer das Loch, desto größer muss der Sicherheitsabstand zur Gefahrenstelle ausfallen. Außerdem spielt die Form eine Rolle (rund, quadratisch, schlitzförmig) und die Einbauorientierung der Öffnungen.

Typische Orientierungswerte aus der Praxis:

  • Öffnungen bis etwa 4 mm: minimaler Abstand genügt (oft wenige Millimeter, abhängig von der Blechdicke und Formgebung).
  • Öffnungen zwischen ca. 12 und 20 mm: Sie rechnen häufig mit rund 120 mm Abstand zur nächsten Gefahrenstelle.
  • Schlitz- oder Gitteröffnungen von 30–40 mm: Je nach Anordnung kann der Abstand bis in den Bereich von ca. 850 mm steigen, wenn Personen den Unterarm einführen könnten.

Deshalb wählen viele Betriebe Maschinenschutzgitter mit Maschen um 20 mm. Dieses Maß hält die geforderten Distanzen moderat und erleichtert kompakte Layouts. Größere Maschen (z. B. 50 × 50 mm) würden den Arbeitsraum um die Maschine stark vergrößern, ohne zusätzliche Funktion zu liefern.

Rechen- und Auswahlbeispiele für Öffnungen

  • Sie planen ein Gitter mit 20 mm Masche: Prüfen Sie die Normtabelle für Ober- und Unterarmreichweiten und legen Sie den Abstand so fest, dass weder Finger noch Unterarm durchgreifen können und die Gefahrstelle erreichen.
  • Sie benötigen hohe Transparenz für Sicht- oder Lichtschranken: Setzen Sie schlitzförmige Öffnungen begrenzt ein, und erhöhen Sie den Abstand entsprechend der Tabelle. Achten Sie auf die Schlitzorientierung (horizontal/vertikal).
  • Sie verwenden gelochte Bleche: Denken Sie an die wirksame Öffnungsweite. Dicke Bleche mit kleinen, versetzten Löchern erlauben oft deutlich geringere Abstände als grobe Gitter.

Entscheidend bleibt stets die Frage: Welche Körperteile passen wie weit durch die Öffnung, und welche Mindestdistanz verhindert das Erreichen der Gefahrstelle? Die Antwort liefert die Tabelle – Sie dokumentieren den gewählten Wert in der Risikobeurteilung.

Roboterschutzzellen: DIN EN ISO 13857 und Mindest-Sicherheitsabstände im Alltag der Automatisierung

Robotikzellen setzen häufig auf modulare Gitterpaneele als trennende Schutzeinrichtung. Die Geometrie bestimmt, wie nah Sie mit dem Zaun an den Arbeitsraum heranrücken können, ohne den Mindestabstand zu unterschreiten. Für viele Anwendungen hat sich eine Zaunhöhe von mindestens 1400 mm bewährt. Steigt das Risiko oder lässt sich der Abstand konstruktiv nicht realisieren, erhöhen Sie die Zaunhöhe auf 2000 mm oder 2200 mm.

Planen Sie die Bodenfreiheit bewusst: Übliche Praxiswerte liegen zwischen 100 und 180 mm, um ein Untergreifen mit Fuß oder Unterschenkel zu verhindern. Vermeiden Sie größere Spalten unter Türen und Paneelen und prüfen Sie besonders Übergänge zu Fördertechnik, die durch den Zaun führt.

  • Maschenweite: Unter 20 mm bleiben die Abstände meist handhabbar. Bereiche mit 20–30 mm erfordern ein genaues Nachschlagen in der Tabelle.
  • Abstand zum Roboter: Messen Sie von der inneren Zaunlinie bis zum nächstgelegenen möglichen Roboterpunkt, inklusive Greifer, Werkzeug und Bauteil.
  • Aufstieghilfen ausschließen: Keine Tritte, Ausleger, Schaltschränke oder Paletten direkt am Zaun positionieren.

Türen, Zuhaltungen und Sicherheitsfunktionen

Jedes Tor und jede Servicetür benötigt eine sichere Überwachung. Sobald Sie die Tür öffnen, muss die Anlage in einen sicheren Zustand wechseln oder die Zuhaltung verhindert das Öffnen, bis keine Gefahr mehr besteht. Definieren Sie die Sicherheitsfunktion (z. B. Sperren und Überwachen), deren Performance Level und die Diagnoseanforderungen eindeutig und dokumentieren Sie die Verifikation. Denken Sie an Not-Halt-Konzepte, Verriegelungslogik, Schlüsseltransfer und an eine klare Kennzeichnung der Fluchtwege.

Checkliste für Konstruktion und CE-Verantwortliche

  • Risikobeurteilung erstellen und die Risikokategorie für jede Gefahrstelle festlegen.
  • Schutzprinzip wählen: Abstand allein, feste trennende Schutzeinrichtung oder Kombination.
  • Höhe der Gefahrstelle, Zaunhöhe und horizontalen Abstand gemeinsam festlegen.
  • Öffnungsgrößen, Form und Orientierung bestimmen; Mindestabstände aus der Tabelle ableiten.
  • Bodenfreiheit, Spalte und Übergänge (z. B. Fördertechnik) prüfen und gegen Untergreifen sichern.
  • Tritt- und Kletterhilfen vermeiden; Aufstellteile so platzieren, dass niemand übersteigen kann.
  • Türen mit sicherer Überwachung und ggf. Zuhaltung ausstatten; Sicherheitsfunktion spezifizieren.
  • Einricht-, Rüst- und Servicefälle gesondert betrachten; provisorische Hilfsmittel einkalkulieren.
  • Alle Maße, Annahmen und Normtabellenwerte dokumentieren und verifizieren.

Diese Checkliste führt Sie von der Risikoanalyse über die geometrische Auslegung bis zur Dokumentation. Sie erhöht die Planungssicherheit und reduziert Nacharbeit in der Montagephase.

Fazit: Mehr Sicherheit durch DIN EN ISO 13857 und Mindest-Sicherheitsabstände

Die Norm stellt mess- und prüfbare Kriterien für den Abstandsschutz bereit. Sie definiert klar, wann Distanz allein genügt, welche Zaunhöhen sinnvoll sind und wie Öffnungsgrößen die Abstände beeinflussen. Wer DIN EN ISO 13857 konsequent anwendet, reduziert Unfallrisiken, steigert die Ergonomie und erfüllt zugleich zentrale rechtliche Anforderungen an Maschinensicherheit. Der Schlüssel liegt in der sauberen Risikoanalyse, der korrekten Auswahl der Tabellenwerte und in einer Konstruktion, die Abstände, Höhen und Öffnungen als zusammenhängendes System versteht.

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